Bisher haben wir uns vorwiegend mit der quantenmechanischen Beschreibung des einfachsten Atoms, des Wasserstoffatoms, beschäftigt und teilweise diese Betrachtungen auf andere Systeme, in denen ein einzelnes Elektron um einen positiven Kern kreist, erweitert. In diesem Kapitel widmen wir uns nun Atomen mit mehreren Elektronen. Eine exakte Lösung der Schrödinger-Gleichung ist zwar für das Heliumatom (zwei Elektronen) unter gewissen Annahmen möglich, jedoch für Atome mit mehr als zwei Elektronen aussichtslos. Es existieren aber diverse Näherungslösungen bzw. daraus abgeleitete angenäherte Modelle für Mehrelektronenatome. Wir beschäftigen uns hier mit einem der einfachsten Modelle, dem Schalenmodell, welches sich direkt aus der Verallgemeinerung der Resultate des Wasserstoffatoms ergibt.
Als erstes befassen wir uns mit der Wellenfunktion von Mehrelektronenatomen. In diesem Zusammenhang formulieren wir das vierte Postulat der Quantenmechanik und gehen auf die sogenannte Austauschsymmetrie ein. Anschliessend folgt das Pauli-Prinzip und die Klassifizierung von Teilchen (Elementarteilchen, Atome, Moleküle, ...) in Fermionen und Bosonen. Ausgehend von diesen Gesetzen befassen wir uns dann mit dem Aufbau von Mehrelektronenatomen. Wir betrachten die Besetzung der elektronischen Zustände, die Berechnung von Gesamtbahndrehimpuls, Gesamtspin und Gesamtdrehimpuls, sowie die Bestimmung des Grundzustands aufgrund der sogenannten Hundschen Regeln.
Für die Wellenfunktion von nichtwechselwirkenden Teilchen, beispielsweise für ein Mehrelektronenatom, gilt das folgende Postulat:
Postulat 4 Die Wellenfunktion eines Systems aus nicht-unterscheidbaren, nicht-wechselwirkenden Teilchen wird durch ein (Tensor-) Produkt der Wellenfunktionen der einzelnen Teilchen beschrieben
Die sogenannte Austauschsymmetrie präzisiert die Eigenschaften der Mehrteilchenwellenfunktion (16.1) bzgl. der Vertauschung von Teilchen bzw. ihrer Indizes.
Wir betrachten zwei Elektronen (ohne Spin) am Ort und , die sich im Coulomb-Feld eines Atomkerns der Ladung bewegen (siehe Abb. 16.1).
Der Kern wird als fest betrachtet und befindet sich im Ursprung des Koordinatensystems. Die potentielle Energie der Elektronen setzt sich zusammen aus der potentiellen Energie und im Coulomb-Feld des Atomkerns
und der potentiellen Energie der Coulomb-Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen
Die kinetische Energie und der beiden Elektronen ist gegeben durch
Demzufolge lautet die Hamilton-Funktion für das Zweielektronensystem
Der entsprechende Hamilton-Operator ist gegeben durch
Dieser Hamilton-Operator wirkt auf die Wellenfunktion , welche den Zustand des Zweiteilchensystems beschreibt, wobei die Wahrscheinlichkeit ist, das Elektron 1 zur Zeit im Volumenelement am Ort und gleichzeitig das Elektron 2 im Volumenelement am Ort anzutreffen. Da die potentielle Energie die Zeit nicht explizit enthält, existieren stationäre Zustände, d.h. es gilt
wobei Lösung der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung
ist. Das Lösen dieser Gleichung ist erheblich erschwert durch den Wechselwirkungsterm . Aus diesem Grund ist auch das Postulat 4 nicht anwendbar, da die beiden Elektronen nicht unabhängig voneinander sind. Wir werden hier diese Wechselwirkung vernachlässigen. In dieser Näherung ist dann der Hamilton-Operator als Summe zweier unabhängiger Hamilton-Operatoren darstellbar. Jedes Elektron hat dann seine eigene Schrödinger-Gleichung mit den Lösungen bzw.
Die Gesamtwellenfunktion lässt sich dann in Übereinstimmung mit Postulat 4 als Produkt der beiden Funktionen und schreiben und gehört zum Energiewert . und sind dabei gegeben durch die Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms.
Jedoch folgt aus der Unschärferelation, dass man die Bewegung eines Elektrons nicht genau verfolgen kann. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass man die beiden Elektronen im betrachteten Atom nicht auseinanderhalten bzw. unterscheiden kann. Das hat zur Folge, dass sich bei der Vertauschung der beiden Elektronen, repräsentiert durch die Vertauschung der beiden Indizes 1 und 2, die Wahrscheinlichkeitsdichte nicht ändern darf. Dies ist die Forderung der Austauschsymmetrie.
Die Produktwellenfunktion erfüllt diese Forderung nicht, denn ist nicht die selbe Funktion wie , es sei denn die Quantenzahlen , , stimmen paarweise mit den Quantenzahlen , , überein. Andererseits ist in der Näherung die Produktwellenfunktion mit vertauschten Indizes 1 und 2 auch eine Eigenfunktion des Hamilton-Operators zum selben Eigenwert . Diese Tatsache können wir zur Konstruktion von Eigenfunktion ausnützen, welche die Austauschsymmetrie erfüllen und den Zustand des Zweielektronensystems beschreiben, indem wir Linearkombinationen von und bilden. Diese sind nach Satz 9.4 wiederum Eigenfunktionen von zum selben Eigenwert . Es ergeben sich dann die beiden folgenden normierten Linearkombinationen der Produktwellenfunktionen und , welche der Forderung der Austauschsymmetrie genügen
wobei die symmetrische Linearkombination bei der Vertauschung der beiden Indizes 1 und 2 unverändert bleibt und die antisymmetrische Linearkombination nur das Vorzeichen wechselt. Demzufolge bleiben und bei der Vertauschung der Indizes 1 und 2 unverändert und die Forderung der Austauschsymmetrie ist gewährleistet.
Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass in der Realität aufgrund des Pauli-Prinzips (siehe Abschnitt 16.2) für Elektronen nicht beide Möglichkeiten (16.13) und (16.14), d.h. symmetrische und antisymmetrische Wellenfunktion, zugelassen sind, sondern Elektronen eine antisymmetrische Wellenfunktion haben müssen.
Die Forderung der Austauschsymmetrie muss auch im Fall von zwei wechselwirkender Elektronen erfüllt sein, denn diese lassen sich genau so wenig unterscheiden wie unabhängige Elektronen. Allerdings kann man dann nicht mehr mit den im vorangegangen Abschnitt benützten Produktwellenfunktionen operieren. Ebenfalls sind auch noch die Spinkoordinaten und in die Wellenfunktion einzubeziehen. Die Gesamtwellenfunktion inkl. Spin muss dann entweder symmetrisch oder antisymmetrisch sein, wenn die Forderung der Austauschsymmetrie erfüllt sein soll bzw. ist, wie erwähnt, für Elektronen (mit Spin) nach dem Pauli-Prinzip (siehe Abschnitt 16.2) nur eine antisymmetrische Gesamtwellenfunktion zugelassen.
Zum Abschluss dieses Abschnitts formulieren wir die Forderung der Austauschsymmetrie allgemein:
Die Wellenfunktion eines Systems aus (wechselwirkenden) Teilchen (Elektronen) erfüllt die Austauschsymmetrie, wenn beim beliebigen Tausch zweier Teilchen (Elektronen) die Wahrscheinlichkeitsdichte unverändert bleibt.
Es sei bemerkt, dass diese Forderung der Austauschsymmetrie auch in diesem allgemeinen Fall durch die Konstruktion von symmetrischen (bleiben unverändert bei der Vertauschung zweier Teilchen) und antisymmetrischen (ändern das Vorzeichen bei der Vertauschung zweier Teilchen) Wellenfunktionen erfüllt werden kann. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Existenz von symmetrischen und antisymmetrischen Wellenfunktionen sich in der Klassifizierung der Teilchen in Fermionen und Bosonen widerspiegelt (siehe Abschnitt 16.3).
Wolfgang Pauli formulierte 1925 das berühmte Pauli-Prinzip, auch Paulisches Ausschlussprinzip genannt. Es lautet folgendermassen:
Ein System von Elektronen wird durch eine antisymmetrische Wellenfunktion beschrieben.
Diese allgemeine und abstrakte Formulierung wird anschaulicher, wenn man sie auf das in Abschnitt 16.1.2 betrachtete Beispiel von zwei Elektronen anwendet, deren Wechselwirkung vernachlässigt wird. Nach dem Pauli-Prinzip wird dieses System durch die antisymmetrische Wellenfunktion beschrieben, welche nach (16.14) gegeben ist durch
Diese Funktion verschwindet, wenn und die selbe Funktion darstellen, d.h. wenn die vier Quantenzahlen , , und des einen Elektrons mit den entsprechenden vier Quantenzahlen , , und des anderen Elektrons übereinstimmen. Dies bedeutet, dass ein solcher Zustand des Zweielektronensystems nicht vorkommt.
Diese Beobachtung lässt sich auf ein System bestehend aus beliebig vielen Elektronen verallgemeinern. Daraus ergibt sich folgende alternative Formulierung des Pauli-Prinzips:
Die Elektronenzustände eines Atoms können mit Elektronen nur so besetzt werden, dass nie zwei oder mehr Elektronen in allen Quantenzahlen übereinstimmen.
Das Pauli-Prinzip in dieser Formulierung werden wir uns bei der Betrachtung des Atomaufbaus von Mehrelektronenatomen (siehe Abschnitt 16.4) zunutze machen.
Aufgrund von experimentellen Ergebnissen lassen sich im Allgemeinen Teilchen in zwei Sorten unterteilen, Fermionen und Bosonen, die folgendermassen definiert sind:
Definition 16.1 Wir unterscheiden die beiden folgenden Teilchentypen:
Neben den Elementarteilchen1 (Elektronen, Protonen und Neutronen) mit Spin existieren viele Atomkerne mit halbzahligem Spin zwischen und . Die Quantenzahl kann dann jeweils alle halbzahligen Werte zwischen und annehmen. Ebenfalls gibt es auch einige Atomkerne mit ganzzahligem Spin zwischen und . Entsprechend kann in diesem Fall die Quantenzahl alle ganzzahligen Werte zwischen und annehmen.
Wir kommen nun zu einer qualitativen Betrachtung des Aufbaus von Mehrelektronenatomen anhand des Schalenmodells. Wie in der Einleitung erwähnt, ergibt sich dieses einfachste Modell direkt aus den Resultaten der Berechnungen zum Wasserstoffatom.
Die Zustände der Elektronen werden ausgehend vom Wasserstoffatommodell durch die vier Quantenzahlen , , und beschrieben, für die gilt
Alle Zustände, die zu einer festen Hauptquantenzahl gehören, bilden dabei eine Schale, alle Zustände, die zu einer festen Bahndrehimpulsquantenzahl gehören, bilden eine Unterschale. In einer Unterschale hat es demzufolge Platz für Elektronen und in einer Schale für Elektronen.
Wir kommen nun zur Besetzung der Elektronenzustände und damit der Schalen und Unterschalen von Atomen durch Elektronen. Diese erfolgt nach zwei Prinzipien:
Für die Angabe der Besetzung der Elektronenzustände und damit zur Charakterisierung des Elektronenzustands eines Atoms verwendet man die folgende Notation: Man gibt die Hauptquantenzahl gefolgt von der Bahndrehimpulsquantenzahl , bezeichnet durch den zugehörigen Buchstaben, in Klammern an und hochgestellt die Anzahl Elektronen, welche sich in dieser Unterschale befinden. Zum Beispiel gilt für das Natriumatom die Elektronenkonfiguration , d.h. es befinden sich jeweils zwei Elektronen in der - und -Unterschale, sechs Elektronen in der -Unterschale und ein Elektron in der -Unterschale.
Wir betrachten nun ausgehend vom Wasserstoffatom die Atome des Periodensystems (siehe Abb. 7.3), indem wir die Elektronenzustände schrittweise nach den oben genannten Regeln mit Elektronen besetzen.
Bis zu Argon mit der Ordnungszahl 18 (Ende Periode2 III) werden die Zustände der Reihe nach besetzt, d.h. das Füllen der Unterschalen erfolgt in der Reihenfolge , , , und (siehe Tab. 16.1).
Ordnungszahl () | Symbol | Bezeichnung | Elektronenkonfiguration |
1 | H | Wasserstoff | |
2 | He | Helium | |
3 | Li | Lithium | |
4 | Be | Beryllium | |
5 | B | Bor | |
6 | C | Kohlenstoff | |
7 | N | Stickstoff | |
8 | O | Sauerstoff | |
9 | F | Fluor | |
10 | Ne | Neon | |
11 | Na | Natrium | |
12 | Mg | Magnesium | |
13 | Al | Aluminium | |
14 | Si | Silicium | |
15 | P | Phosphor | |
16 | S | Schwefel | |
17 | Cl | Chlor | |
18 | Ar | Argon | |
Anschliessend erfolgt eine erste Ausnahme. Da die -Unterschale energetisch tiefer liegt als die -Unterschale, werden die nächsten beiden Elektronen in der -Unterschale untergebracht (Kalium und Calcium). Es folgt dann mit kleinen Ausnahmen die Besetzung der -Unterschale mit zehn weiteren Elektronen (Scandium bis Zink). Damit sind alle Zustände mit besetzt und die nächsten sechs Elektronen finden in der -Unterschale Platz (Gallium bis Krypton). Somit ist die IV. Periode abgeschlossen.
Die V. Periode wird analog zur IV. Periode mit Elektronen gefüllt: Zwei Elektronen finden in der -Unterschale (Rubidium und Strontium) Platz, mit kleinen Ausnahmen zehn Elektronen in der -Unterschale (Yttrium bis Cadmium) und sechs Elektronen in der -Unterschale (Indium bis Xenon).
Zum Start der VI. Periode werden zwei Elektronen in der -Unterschale platziert (Cäsium und Barium). Dann folgen mit kleinen Ausnahmen vierzehn Elektronen in der -Unterschale (Lanthan bis Ytterbium) und zehn Elektronen in der -Unterschale (Lutetium bis Quecksilber) und zum Abschluss der VI. Periode sechs Elektronen in der -Unterschale (Thallium bis Radon).
Die Besetzung der Elektronenzustände in der VII. und damit letzten Periode erfolgt nach dem selben Muster wie bei der VI. Periode. Die -Unterschale wird mit zwei Elektronen gefüllt (Francium und Radium), die -Unterschale mit vierzehn (Actinium bis Lawrencium), die -Unterschale mit zehn (Rutherfordium bis Copernicium) und die -Unterschale mit sechs (Ununtrium bis Ununoctium).
Für einige Gruppen von Atomen existieren in der Literatur spezielle Namen, die wir hier kurz auflisten:
Allgemein bestimmen die äussersten Elektronen die chemischen Eigenschaften eines Atoms. Aus diesem Grund haben Atome, welche in der selben Gruppe des Periodensystems positioniert sind, ähnliche chemische Eigenschaften. Auf die Eigenschaften der Atome der ersten und letzten Gruppe gehen wir hier beispielhaft ein.
Die Alkali-Atome Lithium bis Francium befinden sich in der ersten Gruppe des Periodensystems und besitzen ein Elektron in der äussersten Schale. Auf das äusserste Elektron wirkt aufgrund der Abschirmung der anderen Elektronen eine reduzierte und relativ geringe Kernladung. Deshalb kann das äusserste Elektron relativ leicht vom Atom getrennt werden. Aus diesem Grund können Alkali-Atome angenähert durch das Wasserstoffatommodell beschrieben werden (siehe Abb. 16.2). Dies zeigt sich auch in Experimenten, die Eigenschaften von Alkali-Atomen sind denen von Wasserstoff sehr ähnlich. Z.B. sind die Atome in dieser Gruppe chemisch sehr reaktiv. Dennoch unterscheiden sich die Alkali-Atome vom Wasserstoffatom in einem wesentlichen Punkt, Wasserstoff ist weder fest noch zeigt er Eigenschaften von Metallen. Dies ist auch der Grund, weshalb Wasserstoff, obwohl es im Periodensystem auch in der ersten Gruppe aufgeführt wird, nicht zu den Alkali-Atomen gezählt wird.
Zu den Edelgasen gehören die sieben Atome der achten und letzten Gruppe des Periodensystems, d.h. Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon und Ununoctium. Sie zeichnen sich alle durch abgeschlossene Unterschalen aus, d.h. alle möglichen Zustände in der jeweiligen Unterschale sind mit Elektronen voll besetzt. Zum Beispiel haben in der -Unterschale zwei, in der -Unterschale sechs, in der -Unterschale zehn und in der -Unterschale vierzehn Elektronen Platz. Die Elektronen in einer solchen abgeschlossenen Unterschale sind stark an den Atomkern gebunden, da die Kernladung nur schwach von den Elektronen in niedrigeren Schalen abgeschirmt wird. Aus diesem Grund sind Edelgase im Vergleich zu anderen Atomen chemisch inaktiv. Eine weitere Eigenschaft von abgeschlossenen Unterschalen ist, dass ihr Gesamtbahndrehimpuls , ihr Gesamtspin und ihr Gesamtdrehimpuls verschwinden (siehe Abschnitt 16.4.2).
Bei der Bestimmung des Gesamtbahndrehimpulses, des Gesamtspins und des Gesamtdrehimpulses für ein Mehrelektronenatom unterscheiden wir die beiden Fälle Russell-Saunders-Kopplung und -Kopplung. Im ersten Fall ist die Coulomb-Wechselwirkung viel grösser als die Spin-Bahn-Kopplung und im zweiten Fall ist die Coulomb-Wechselwirkung viel kleiner als die Summe aller Spin-Bahn-Kopplungen der einzelnen Elektronen. Wir gehen nun genauer auf die beiden Fälle ein:
Bei Mehrelektronenatomen mit nicht zu hoher Kernladungszahl , d.h. bei leichten Atomen, ist die Coulomb-Wechselwirkung viel grösser als die Spin-Bahn-Kopplung. In diesem Fall koppeln die Bahndrehimpulse der einzelnen Elektronen zu einem Gesamtbahndrehimpuls im folgenden Sinn
wobei die Anzahl der Elektronen bezeichnet. Analog koppeln die Spins der einzelnen Elektronen zu einem Gesamtspin , d.h. es gilt
Wie beim Wasserstoffatom wechselwirken aufgrund der Spin-Bahn-Kopp-lung der resultierende Gesamtbahndrehimpuls mit dem Gesamtspin und bestimmen so den Gesamtdrehimpuls . Der Betrag der Drehimpulse , und ist dabei auf die gleiche Art und Weise wie beim Wasserstoffatom quantisiert. Sie sind bestimmt durch die Quantenzahlen , und 3 auf folgende Art
wobei die Quantenzahlen , und die folgenden Werte annehmen können
wobei und die Bahndrehimpulsquantenzahlen bzw. Spinquantenzahlen der einzelnen Elektronen bezeichnen und die so gewählt sind, dass bzw. minimal werden. Zum Beispiel bedeutet dies im Fall
Bei Mehrelektronenatomen mit hoher Kernladungszahl , d.h. bei schweren Atomen, ist die Coulomb-Wechselwirkung viel kleiner als die Spin-Bahn-Kopplung der einzelnen Elektronen. Es ist dann nicht mehr möglich einen Gesamtbahndrehimpuls und einen Gesamtspin zu definieren, sondern die Bahndrehimpulse und Spins der einzelnen Elektronen koppeln einzeln zu einem Gesamtdrehimpuls der einzelnen Elektronen und diese wiederum zu einem Gesamtdrehimpuls gemäss
Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass in der Realität bei den meisten Atomen eine Mischform zwischen Russell-Saunders- und -Kopplung vorliegt. Zur Veranschaulichung besprechen wir nun die Russell-Saunders-Kopplung für ein Atom mit zwei Elektronen.
Wir betrachten ein Atom mit zwei Elektronen, welche durch die Bahndrehimpulsquantenzahlen und , sowie die Spinquantenzahlen beschrieben werden. Die Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl kann in diesem Fall die folgenden drei Werte annehmen
und die Gesamtspinquantenzahl die beiden Werte
Damit ergeben sich für die Gesamtdrehimpulsquantenzahl fünf Möglichkeiten
Für die Zustände von Mehrelektronenatomen verwendet man im Vergleich zum Wasserstoffatom eine geringfügig angepasste Notation. In Anlehnung an (14.41) gilt für Mehrelektronenatome:
Ein Zustand eines Mehrelektronenatoms mit Gesamtbahndrehimpulsquantenzahl , Gesamtspinquantenzahl und Gesamtdrehimpulsquantenzahl erhält folgende Bezeichnung
wobei für jeweils der entsprechende Grossbuchstabe (), (), (), ... einzusetzen ist. Bei Atomen mit einem einzigen Elektron in der äussersten Unterschale wird die Hauptquantenzahl dieses Elektrons der Bezeichnung vorangestellt.
Es sei bemerkt, dass im Fall der vor dem Buchstaben hochgestellte Index gerade die Multiplizität des Zustands angibt, d.h. die Zahl der Möglichkeiten den Gesamtbahndrehimpuls und den Gesamtspin zum Gesamtdrehimpuls zu kombinieren. Dabei werden die zu den drei Werten = 0, 1/2, 1 der Gesamtspinquantenzahl zugehörenden Zustände mit Namen versehen:
Im Fall ist die Multiplizität gegeben durch .
Zum Abschluss dieses Abschnitts geben wir als Beispiel die Notation für das Natriumatom an. Nach Tab. 16.1 hat Natrium elf Elektronen mit einer Elektronenkonfiguration . Die drei Unterschalen , und sind abgeschlossen und haben daher verschwindende Quantenzahlen , und . Daher genügt es das äusserste Elektron, welches sich im Zustand , und befindet, zu betrachten. Demzufolge gilt für das Natriumatom , und und damit die Bezeichnung , wobei wir die Hauptquantenzahl des Zustands des äussersten Elektrons der Bezeichnung vorangestellt haben.
Wir haben bisher die Elektronenkonfigurationen der einzelnen Atome kennengelernt, welche die Atome in ihrem Grundzustand einnehmen (siehe Abschnitt 16.4.1). Jedoch wissen wir noch nicht welchen Zustand das Atom genau einnimmt. Insbesondere die Besetzung von nicht abgeschlossenen Schalen ist noch zu klären.
Eine Antwort liefern die Hundschen Regeln, die nach dem Physiker Friedrich Hund benannt sind und auf empirischen Resultaten beruhen. Sie geben an, welche Werte die Quantenzahlen , und für ein Atom im Grundzustand annehmen. Sie lauten folgendermassen:
Hundsche Regeln
Im Grundzustand besetzen die Elektronen eines Atoms unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips die Zustände nach den folgenden Regeln:
Es sei bemerkt, dass manchmal auch die in Abschnitt 16.4.1 im Rahmen der Behandlung der Edelgase angesprochene Regel, dass für abgeschlossene Unterschalen ist, als weitere Hundsche Regel aufgeführt wird.
Wir geben hier eine kurze Motivation der beiden ersten Regeln an und verweisen für genauere Ausführungen auf weiterführende Literatur (z.B. [11]). Dazu benützen wir die am Anfang des Abschnitts 16.4 aufgeführte Regel, dass ein Atom dann einen stabilen Zustand einnimmt, wenn seine Gesamtenergie minimal ist:
In Tab. 16.2 sind anhand der genauen Elektronenbesetzung für die Atome Bor bis Neon diese beiden Punkte illustriert4.
Name | Elektronenkonfiguration | Besetzung der -Unterschale
| ||
Bor | ||||
Kohlenstoff | ||||
Stickstoff | ||||
Sauerstoff | ||||
Fluor | ||||
Neon | ||||
Wir illustrieren die Hundschen Regeln an den Atomen Wasserstoff bis Neon (siehe Tab. 16.3), wobei wir die Elemente Wasserstoff, Helium, Bor, Kohlenstoff und Stickstoff genauer besprechen:
Name | ||||
Wasserstoff | 1/2 | 0 | 1/2 | |
Helium | 0 | 0 | 0 | |
Lithium | 1/2 | 0 | 1/2 | |
Beryllium | 0 | 0 | 0 | |
Bor | 1/2 | 1 | 1/2 | |
Kohlenstoff | 1 | 1 | 0 | |
Stickstoff | 3/2 | 0 | 3/2 | |
Sauerstoff | 1 | 1 | 2 | |
Fluor | 1/2 | 1 | 3/2 | |
Neon | 0 | 0 | 0 | |
Beim Wasserstoffatom ist die Situation am einfachsten. Wir haben ein Elektron in der -Unterschale, das entweder den „spin up“- () oder den „spin-down“- () Zustand einnehmen kann. Damit resultieren die Quantenzahlen , und und der Grundzustand .
Die beiden Elektronen besetzen im Grundzustand die beiden möglichen Zustände in der -Unterschale. Für abgeschlossene Unterschalen verschwinden die drei Quantenzahl , und und wird erhalten den Grundzustand .
Für die abgeschlossenen Unterschalen und gilt und es genügt das einzelne Elektron in der -Unterschale zu betrachten. Nach den ersten beiden Hundschen Regeln nimmt es den Zustand , , und ein. Demzufolge gilt und und da die -Unterschale weniger als halb gefüllt ist, ergibt sich nach der dritten Hundschen Regel . Somit lautet der Grundzustand für das Boratom .
Wie beim Boratom haben wir nur die beiden Elektronen in der -Unter-schale zu betrachten ( und ). Nach der ersten Hundschen Regel haben sie parallelen Spin (beide oder beide ) und damit gilt . Die zweite Hundsche Regel legt nun die letzte Quantenzahl fest. Unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips nimmt für und den maximalen Wert 1 an. Für die letzte Quantenzahl erhalten wir nach der dritten Hundschen Regel und somit für das Kohlenstoffatom den Grundzustand .
Wiederum können wir uns auf die drei Elektronen in der 2p-Unterschale konzentrieren ( und ). Die erste Hundsche Regel verlangt wiederum parallele Spins, womit ist. Nach dem Pauli-Prinzip müssen sie die Zustände zu = -1, 0 und 1 besetzen. Wodurch nur die Möglichkeit bleibt. Die Unterschale ist halb gefüllt und daher folgt nach der dritten Hundschen Regel . Stickstoff besitzt also den Grundzustand .
Bei der Russell-Saunders-Kopplung (leichte Atome) ist die Coulomb-Wechselwirkung viel grösser als die Spin-Bahn-Kopplung und die Bahndrehimpulse der einzelnen Elektronen koppeln zu einem Gesamtbahndrehimpuls , wobei die Anzahl der Elektronen bezeichnet. Analog koppeln die Spins der einzelnen Elektronen zu einem Gesamtspin . Der resultierende Gesamtbahndrehimpuls wechselwirkt dann mit dem Gesamtspin und bestimmt so den Gesamtdrehimpuls . Der Betrag der Drehimpulse , und ist dabei auf die gleiche Art und Weise wie beim Wasserstoffatom quantisiert. Sie sind bestimmt durch die Quantenzahlen , und gemäss , und .
Bei der -Kopplung (schwere Atome) ist die Coulomb-Wechselwirkung viel kleiner als die Spin-Bahn-Kopplung der einzelnen Elektronen. Es ist dann nicht mehr möglich einen Gesamtbahndrehimpuls und einen Gesamtspin zu definieren, sondern die Bahndrehimpulse und Spins der einzelnen Elektronen koppeln einzeln zu einem Gesamtdrehimpuls der einzelnen Elektronen und diese wiederum zu einem Gesamtdrehimpuls . In der Realität liegt bei den meisten Atomen eine Mischform zwischen Russell-Saunders- und -Kopplung vor.
Zum Teil wird auch die Regel, dass für abgeschlossene Unterschalen ist, als weitere Hundsche Regel aufgeführt.